en
de
Home | Latest updates | Ohne Impact keine Innovation – Warum der deutschen Wirtschaft bald die Ideen ausgehen

Ohne Impact keine Innovation – Warum der deutschen Wirtschaft bald die Ideen ausgehen

Dieser Artikel wurde ursprünglich als Gastbeitrag unseres Geschäftsführers Leon Reiner bei Table Media veröffentlicht.

Die nächste Generation von Nachhaltigkeits-Talenten wächst nicht in klassischen Unternehmen, sondern in Start-ups und kreativen Netzwerken. Weil dort jetzt aber gespart wird, bekommt insbesondere der Mittelstand Probleme.

Die letzten Jahre haben Spuren hinterlassen. Pandemie, Energiepreise, geopolitische Schocks. Eine gefühlte Dauerkrise, die sich zur wirtschaftlichen Verunsicherung verfestigt hat. In diesem Klima ist es kein Wunder, dass viele Unternehmen auf Sicht fahren, Investitionen verschieben, Personal abbauen. Was aber untergeht: Der Druck trifft besonders die Bereiche, die für die Zukunftsfähigkeit zentral sind: Nachhaltigkeit, Innovation, gesellschaftliche Verantwortung.

Denn neue Impulse kommen oft nicht aus den Konzernzentralen oder Forschungsinstituten. Sondern von jenen, die an den Rändern des Systems experimentieren: Impact-Start-ups, Sozialunternehmer, kreative Netzwerke. Hier entstehen nicht nur Ideen und Lösungen, sondern die Talente, die Innovationskompetenz, unternehmerisches Denken und Verantwortung zusammenbringen und tatsächlich umsetzen können. Wenn diese Pipeline versiegt, fehlt der Wirtschaft und besonders dem Mittelstand in fünf Jahren das, was ihn bis heute so stark gemacht hat: Anpassungsfähigkeit, Ideenreichtum und Umsetzungsstärke.

Besonders deutlich zeigt sich das am Beispiel der CSRD, der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Eigentlich eine riesige Chance, Nachhaltigkeit endlich strategisch im Kerngeschäft zu verankern. Doch was passiert? Statt als Zukunftsaufgabe wird CSRD in vielen Unternehmen als Pflichtübung behandelt – irgendwo zwischen Controlling und Compliance. Die kreative Auseinandersetzung mit neuen Geschäftsmodellen bleibt aus. Nachhaltigkeit wird zur Belastung, nicht zur Chance – und verliert damit ihren wirtschaftlichen Hebel.

Dabei zeigt unsere tägliche Arbeit im Impact Hub Berlin: Ideen gäbe es genug. Aber das Feld wird enger. Förderprogramme laufen aus, Unternehmen frieren Gelder für Impact-Kooperationen ein, Investorinnen und Investoren halten sich zurück. Start-ups kämpfen deshalb um Anschlussfinanzierung, Impact-Professionals orientieren sich um. Wo früher neue Formate zwischen Konzernen, Mittelstand und Impact-Szene entstanden, ist Zurückhaltung eingekehrt. Wer einmal erlebt hat, wie schnell solche Ökosysteme kippen, weiß: Wenn diese Strukturen verschwinden, lassen sie sich nicht in sechs Monaten neu aufbauen.

Besonders gefährlich ist die Entwicklung mit Blick auf die Talente.

Die nächste Generation von Gründerinnen, Intrapreneuren und Transformationstreibern entsteht nicht im klassischen Unternehmen – sie wächst in Coworking-Spaces, in Innovationsprogrammen, in der Zusammenarbeit mit Impact-Organisationen. Wer dort heute nicht präsent ist, wird morgen nicht mitspielen.

Natürlich ist Konsolidierung per se nichts Schlechtes. Der Impact-Sektor muss sich – wie alle – die Frage gefallen lassen, wo er echten Mehrwert liefert. Aber genau das ist der Punkt: Impact ist nur dann zukunftsfähig, wenn er nachweislich Wert schafft – für Kundinnen, Mitarbeitende und die Gesellschaft. Unternehmen, die das erkennen, sichern sich langfristige Relevanz. Wer hingegen nur auf kurzfristige Einsparungen setzt, riskiert, dass in entscheidenden Zukunftsfeldern Strukturen verschwinden, die man später dringend gebraucht hätte.

Was jetzt zu tun ist? Unternehmen brauchen Impulse, um Nachhaltigkeit nicht als Pflicht, sondern als strategische Chance und Gestaltungsaufgabe zu verstehen. Es braucht nachhaltige Investitionen dort, wo Innovation entsteht

– in der frühen Phase, in Partnerschaften mit Impact-Organisationen, in die Sicherung von Plattformen und Ökosystemen, in Talente.

Und: Wir brauchen einen neuen Diskurs. Einen, der Nachhaltigkeit nicht als moralische Überforderung oder regulatorische Bürde, sondern als Innovationstreiber und Wettbewerbsvorteil versteht. Das Potenzial dafür ist da. Die Frage ist: Greifen wir jetzt danach – oder schauen wir in ein paar Jahren zurück und fragen uns, wo all die guten Ideen geblieben sind?

Leon Reiner ist Gründer und Geschäftsführer des Impact Hub Berlin. Durch Programme für Start-ups, Unternehmen und öffentliche Organisationen sowie Coworking und Events für Impact-Professionals befähigt das Hub Unternehmer dazu, soziale und ökologische Innovation umzusetzen und zu skalieren.